Wenn wir die Bienchen bei ihren Flügen beobachten und uns an ihrem Treiben erfreuen, dann haben sie den Großteil ihres kurzen Lebens schon hinter sich, drei Wochen Entwicklungszeit als Ei, Larve und Puppe, danach drei Wochen „Innendienst“ als Stockbienen. Nur die Altbienen fliegen in ihren letzten ein bis drei Lebenswochen als Sammelbienen umher. In dieser kurzen Zeit können wir sie beobachten und diese kurze Lebensspanne prägt unser Bild von der fleißigen, Nektar und Pollen sammelnden Honigbiene. Gerade einmal ein Drittel ihrer Lebenszeit. Die meiste Zeit ihres gesamten Lebens verbringen Bienen in der Dunkelheit des Stocks.
Das Bienenvolk ist ein selbstregulierender Superorganismus, der nur als Einheit bestehen kann. Die einzelnen Tiere sind ohne die Gemeinschaft nicht lebensfähig. Das Volk besteht aus drei Bienenwesen, einer Königin, je nach Jahreszeit 5.000 bis 50.000 Arbeiterinnen und im Sommer aus einigen 100 bis 1.000 männlichen Drohnen. Die Königin ist in ihrer Einzelstellung das wichtigste Wesen im Bienenvolk, sie wird beim Hochzeitsflug als Jungkönigin von den Drohnen begattet und kann ihr Leben lang befruchtete und unbefruchtete Eier legen. Aus unbefruchteten Eiern, die sie ausschließlich in größere Wabenzellen legt, werden männlich Drohnen, aus den befruchteten Eiern ziehen die Arbeiterinnen, je nach Fütterung der Larven, Arbeiterinnen oder eine neue Königin heran.
Jede einzelne Biene trifft ihre eigenen Entscheidungen, die in Konkurrenz oder Kooperation zu den Entscheidungen anderer Bienen stehen. Die Gesamtheit dieser Entscheidungen steuert den Superorganismus. Die Arbeiterinnen sind die eigentlich Verantwortlichen in der Bienenkolonie. Sie bestimmen wann und wie viel Nektar und Pollen eingetragen werden, wie stark das Brutnest beheizt wird, sie legen den Wabenbau fest, die Nesthygiene, ja sogar wann eine Königin ersetzt wird. Alles hängt miteinander zusammen und wird durch die Aktivitäten der Arbeiterinnen festgelegt. Ihre Entscheidungen werden durch Kommunikation und Spezialisierung beeinflusst und es wird immer ein Gleichgewichtszustand angestrebt. Die einzelnen Zielgrößen ändern sich dauernd und der Gleichgewichtszustand ist nur durch Daueraktivität des gesamten Volkes zu erreichen.
Tragen z. B. die Sammlerinnen Nektar ein und sind nur noch wenig freie Waben vorhanden, beginnen die Stockbienen mit dem Wabenbau. Finden die heimkehrenden Sammlerinnen keinen Abnehmer für ihren Nektar am Flugloch, stellen sie den Sammelflug ein. Oder sinkt die Temperatur im Brutnest ab, beginnen wärmeliebende Bienen zu heizen, sinkt die Temperatur weiter, kommen immer neue Heizer hinzu. Steigt die Temperatur wieder, hören die zuletzt Hinzugekommenen als erstes auf zu heizen. Und ist es umgekehrt zu warm, tragen kälteliebende Bienen Wasser ein, um das Brutnest zu kühlen. Steigt die Temperatur immer weiter, nehmen sich immer mehr Bienen der Aufgabe „Kühlen“ an, bis der Idealzustand wieder erreicht ist. Viele einzelne Regelkreisläufe steuern den selbstorganisierenden Superorganismus, ohne dass es eine übergeordnete Instanz gibt, die Entscheidungen trifft. Ein unglaublich effizientes und faszinierendes Vorgehen, das wir Menschen als Individualisten nur ungläubig bestaunen können.