Der Rückgang von Bestäuberinsekten ist unter anderem auf den Einsatz von Pestiziden zurückzuführen, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, um bei Kulturpflanzen Krankheiten und Schädlingsbefall vorzubeugen. Dazu zählen unter anderem Insektizide, Herbizide und Fungizide.
Für einige Pestizide wurde die schädigende Wirkung auf Nichtzielorganismen wie Bestäuberinsekten bereits wissenschaftlich nachgewiesen.
Seit Mitte der 1990er-Jahre werden Pestizide aus der Familie der Neonicotinoide in der Landwirtschaft insbesondere als Beizmittel für Saatgut eingesetzt. Neonicotinoide sind gut wasserlöslich, das Insektizid wird durch das im Boden befindliche Wasser gelöst und von den Wurzeln der wachsenden Pflanzen aufgenommen. Das Insektizid wirkt systemisch, verteilt sich also in der gesamten Pflanze und ist später auch im Pollen und im Nektar zu finden. Durch die systemische Wirkung schützen Neonicotinoide die Pflanze vor Fraßinsekten. Allerdings werden nur ca. 5 % des Wirkstoffs von der zu schützenden Pflanze aufgenommen, ein kleiner Teil verfliegt als für Insekten giftiger Staub, der Rest verteilt sich über das Wasser im Boden [1],[2].
Im Zusammenhang mit dem seit etwa 10 bis 15 Jahren von Imkern beobachteten zunehmenden Bienenverlust, haben sich die Hinweise auf eine Beteiligung von Neonicotinoiden verdichtet [3].
So führte 2007 das erstmalige Auftreten des Maiswurzelbohrers in Deutschland zu einem vermehrten Einsatz des Neonicotinoids Clothianidin in Baden-Württemberg. Während und nach der Maisaussaat im Frühjahr 2008 wurden hohe Verluste bei den Bienenvölkern im Oberrheintal gemeldet, wobei die Symptome auf eine Vergiftung hindeutenden. Durch Analysen konnte bestätigt werden, dass die Schädigungen durch Abdrift bei der Aussaat von Clothianidin-gebeiztem Maissaatgut verursacht wurden. Betroffen waren über 700 Imker mit ca. 12.000 Bienenvölkern [4].
Neonicotinoide wirken auf Rezeptoren im Insektengehirn, indem sie an diese Rezeptoren binden und die Reizweiterleitung an die nachgeschaltete Nervenzelle stören. Wie man inzwischen weiß, verursachen Neonicotinoide in hohen Dosen Lähmung und Tod, in niedrigen Dosen beeinflussen sie wichtige Gehirnfunktionen, wie Wahrnehmung, Erinnerungs- und Lernvermögen, Orientierungsfähigkeit sowie Kommunikation [3],[5],[6].
Neuere Daten zeigen, dass Neonicotinoide nicht auf die behandelten Kulturpflanzen beschränkt bleiben, sondern auch Obenflächenwässer, Böden und Wildpflanzen kontaminieren [1],[2],[7].
Die Halbwertszeit im Boden ist abhängig vom jeweiligen Wirkstoff, von der Beschaffenheit des Bodens sowie der jeweiligen Untersuchungsmethode. Für die am häufigsten verwendeten Neonicotinoide wird die Halbwertszeit im Boden typischerweise mit 200 bis zu über 1.000 Tage angegeben [8].
Im April 2012 beauftragte die Europäischen Kommission die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) mit der Erstellung eines Risikobewertungsberichts im Zusammenhang mit der Verwendung von drei Neonicotinoiden (Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam), der im Januar 2013 veröffentlicht wurde [9].
Aufgrund fehlender Daten konnte die EFSA ihre Risikobewertung nicht abschließen, so dass die EU-Kommission 2013 nur ein Teilverbot zur Anwendung dieser Wirkstoffe verabschiedete.
Gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 485/2013, die zum 1. Dezember 2013 in Kraft trat, sind Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam auf gewerbliche Anwender zu beschränken und in bestimmten Kulturen zur Saatgut-, Boden- und Blattbehandlung verboten bzw. nur nach der Blüte zulässig.
Im August 2016 bestätigte die EFSA, dass Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid ein Risiko für Bienen darstellen, wenn sie als Spritzmittel zur Blattbehandlung eingesetzt werden.
Für die Neubewertung der drei Neonicotinoide (Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam) zur Saatgutbehandlung und als Granulat hat die EFSA auf Aufforderung der Europäischen Kommission im Mai 2015 zur Einreichung neuer wissenschaftlicher Daten zu Bienen (Honigbienen, Hummeln und Solitärbienen) aufgerufen. Die aktualisierten Bewertungen, die sich mit dem Einsatz der Stoffe zur Saatgutbehandlung und als Granulat befassen, sollten ursprünglich bis Januar 2017 abgeschlossen sein, der Termin wurde jedoch bis zum 30. November 2017 verlängert.
Obwohl bei den derzeitigen Untersuchungen die Bienen als Bestäuber und Nutztiere im Fokus stehen, darf man auch die Folgen für andere Tiergruppen nicht vergessen. Neonicotinoide sind aufgrund ihres Wirkmechanismus für alle Insekten und andere wirbellosen Tiere schädlich. Wirbeltiere sind aufgrund eines modifizierten Rezeptors weniger anfällig, allerdings macht auch hier die Dosis das Gift und Forscher sehen bspw. einen Zusammenhang zwischen der Abnahme von insektenfressenden Vogelarten und hohen Neonicotinoid-Konzentrationen in ihrer Umwelt [7],[10].
Referenzen:
[1] Greenpeace 2017. Umweltrisiken durch Neonicotinoide: eine Überprüfung der wissenschaftlichen Datenlage seit 2013
[2] Wood TJ, Goulson D The Environmental Risks of neonicotinoid pesticides: a review of the evidence post-2013. https://doi.org/10.1101/098897
[3] Blacquière T, Smagghe G, van Gestel CAM, Mommaerts V. Neonicotinoids in bees: a review on concentrations, side-effects and risk assessment. Ecotoxicology (London, England). 2012;21(4):973-992. doi:10.1007/s10646-012-0863-x.
[4] Ministerium für Ernährung und ländlichen Raum Baden-Württemberg. Abschlussbericht Beizung und Bienenschäden. 17. Dezember 2008
[5] Menzel R. Wie Pestizide (Neonicotinoide) die Navigation, die Tanz-Kommunikation und das Lernverhalten von Bienen verändern. Rundgespräche der Kommission für Ökologie, Bd. 43 »Soziale Insekten in einer sich wandelnden Welt«, S. 75-83.
[6] Fischer J, Müller T, Spatz A-K, Greggers U, Grünewald B, Menzel R. Neonicotinoids Interfere with Specific Components of Navigation in Honeybees. Naug D, ed. PLoS ONE. 2014;9(3):e91364. doi:10.1371/journal.pone.0091364.
[7] Deutscher Bundestag. Drucksache 18/2531. Neuere Forschungsergebnisse zur Gefährdung von Bestäuberinsekten, Vögeln und weiterer Organismen durch systemische Pestizidwirkstoffe (insbesondere Neonicotinoide) und der sich daraus ergebende Handlungsbedarf für Regulierung und Forschung
[8] Goulsen D. An overview of the environmental risks posed by neonicotinoid insecticides. Journal of Applied Ecology 2013, 50, 977–98. doi: 10.1111/1365-2664.12111
[9] EFSA. Bienengesundheit; http://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/bee-health-0
[10] Hallmann CA, Foppen RP, van Turnhout CA, de Kroon H, Jongejans E. Declines in insectivorous birds are associated with high neonicotinoid concentrations. Nature. doi: 10.1038/nature13531
Dr. Martina Arnold, Biologin